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Heil Hitler ! Der Hund ist tot... !

Vor wenigen Wochen verurteilte das Berliner Amtsgericht Tiergarten einen vielfach gedenk- und erinnerungspolitisch engagierten Basisarbeiter. Er habe sich des „Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen schuldig gemacht“. So steht es in der Urteilsbegründung.

Nicht witzig: Ein groteskes Gerichtsverfahren …

Unstrittig ist: Er hat im Diskussionszusammenhang mit einem „Bürger in Uniform“ das Zitat aus einem historischen Flüsterwitz „Sieg Heil! Der Hund ist tot!“ verwendet. Damit wollte er zu einer inhaltlichen Argumentation ansetzen. Dazu kam er aber nicht mehr, denn postwendend wurden seine Personalien aufgenommen und sein Einwurf, dass es sich um ein Zitat aus einem Flüsterwitz, also einem Anti-Nazi-Witz, handelte, brachte den Hüter des Gesetzes nicht von seinem Handeln ab. So nahm eine Justizgroteske ihren Lauf: Nachdem der Beschuldigte Ende Juli einem Strafbefehl widersprach, folgte die Gerichtsverhandlung kaum drei Wochen später. Der Angeklagte legte in der Verhandlung dar, dass er seit über zwei Jahrzehnten in der Aufarbeitung von NS-Unrecht aktiv ist. Dennoch mündete das Gerichtsverfahren in einem Urteil, dass nicht nur den Ablauf der Geschehnisse falsch wiedergibt, sondern jeden Menschenverstand vermissen lässt – und frühere Grundsatzurteile des BGH zu diesem heiklen Thema ignoriert. So wird am Ende jemand für einen angeblichen Nazispruch verurteilt, den er in erkennbarer und dargelegter Zuspitzung genau gegenteilig verwendete. Man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass hier ganz bewusst so geurteilt wurde.


… und seine Vorgänger

Am 15.3.2007 sprach der Bundesgerichtshof in letzter Instanz einen Versandhändler von einem ähnlich gelagerten Fall frei (Aktenzeichen 3 StR 486/06). Der schwäbische Händler bot das bekannte Motiv des durchgestrichenen Hakenkreuzes in verschiedenen Variationen zum Kauf an. Er geriet ins Fadenkreuz der Stuttgarter Staatsanwaltschaft, unter der Regie des damaligen Oberstaatsanwalts Häußler. Jener Bernhard Häußler, der Ermittlungen wegen des SS-Massakers im toskanischen Dorf Sant'Anna di Stazzema erst zehn Jahre verschleppte um sie dann einzustellen.

Später musste Häußler im Zuge der Aufarbeitung des berüchtigten „Schwarzen Donnerstag“ seinen Hut nehmen. An jenem Tag, dem 30.9.2010, wurden hunderte Demonstrierende gegen den Neubau des Stuttgarter Hauptbahnhofs bei einem völlig enthemmten Polizeieinsatz verletzt. Der vor Ort anwesende und die Einsatzleitung beratende Häußler war nicht willens eine Vielzahl ungesetzlicher Gewaltanwendung durch die Polizei zu sehen und zu stoppen.

Diese Staatsanwaltschaft verfolgte also besagten Versandhändler wegen des Verkaufs von Symbolen, die kaum eindeutiger antifaschistisch gemeint sein können. Auch etliche Träger dieses und ähnlicher Symbole wurden damals im Schwäbischen von Polizei und Justiz verfolgt. Zum Glück hatte der angeklagte Händler die Ausdauer und ausreichend Unterstützung, um das Verfahren bis in die letzte Instanz durchzuhalten: Erst der BGH stoppte Stuttgarter Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichtsbarkeit. Damals schrieb Christoph Seils in der „Zeit“ einen lesenswerten Kommentar:

Ende einer Posse
Antifaschisten dürfen verfremdete Nazi-Symbole verwenden. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden und damit einen Justiz-Skandal beendet.

Aus der Pressemitteilung des BGH zu seinem korrigierenden Urteil:

Durchgestrichenes Hakenkreuz kein verbotenes Kennzeichen

„… Der 3. Strafsenat hat das Urteil aufgehoben und den Angeklagten freigesprochen. Zur Auslegung des § 86 a StGB hat er ausgeführt, dass der Tatbestand zu weit gefasst ist und der Einschränkung bedarf. Dies war bereits im Gesetzgebungsverfahren erkannt, die Eingrenzung der Vorschrift im Einzelfall aber der Rechtsprechung überlassen worden. Dementsprechend hatte der Senat schon in früheren Entscheidungen bestimmte Kennzeichenverwendungen ausgenommen, bei denen sich aus den Umständen ergeben hatte, dass der Schutzzweck des Gesetzes ersichtlich nicht verletzt war. Nunmehr hat er entschieden, dass der Gebrauch des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation auch dann nicht von § 86 a StGB erfasst wird, wenn bereits der Inhalt der Darstellung in offenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der Organisation und die Bekämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt. ..."

Das Urteil kann man hier im Wortlaut lesen.

Die neuerliche Berliner Justizgroteske kommentierte Ena Bonar treffend in der Berlin-Beilage der Zeitschrift: Antifa 9/10 - 2016 Magazin der VVN-BdA für antifaschistische Politik und Kultur:

71 Jahre nach der deutschen Nazi-Diktatur werden ihre Gegner noch für Witze gegen Adolf Hitler bestraft. Ist der Hund wirklich tot? Oder zuckt er noch?

Witzig: Witze und Karikaturen als passiver Widerstand gegen das Naziregime

Die sehr undemokratische Rechtsauslegung des Berliner Gerichts nehmen wir zum Anlass, das Thema Witze und Karikaturen gegen Nazis aufzugreifen. Gerne auch als kleine Weiterbildung für verbissene Juristinnen und Juristen: Lacht mal wieder!

Fangen wir an mit einer Begriffserklärung:

Der Flüsterwitz ist ein politischer Witz, der von Mund zu Mund weiter erzählt wird, in totalitären und autoritären Staaten verbreitet ist und sich besonders gegen die Machthaber bzw. bestimmte Aspekte des totalitären Systems wendet. In der Regel wird das Verbreiten von Flüsterwitzen von den totalitären Systemen mit Strafe oder beruflichen Nachteilen geahndet. Flüsterwitze sind ein Phänomen des 20. Jahrhunderts und entstanden mit dem Ausbau der totalitären Systeme.
Quelle: Wikipedia

„Während des Dritten Reiches hat sich der Witz als Mittel des passiven Widerstandes etabliert. In dieser Form konnte, zum Teil sehr geistreich, auf das Naziregime reagiert werden. Anfangs geduldet, wurden die Reaktionen der Machthaber im Laufe der Jahre immer aggressiver und die Denunzianten nahmen zu. Wer solche Witze erzählte, war mindestens als „notorischer Volksschädling“ eingestuft und musste mit Gefängnisstrafen rechnen.“

Quelle: Projekt „Nie Wieder – Ein alternativer Stadtrundgang auf den Spuren des Dritten Reiches“, Stadtjugendausschuss e.V., Karlsruhe.

Im Folgenden einige historische Anti-Nazi-Witze, einschließlich der Auflösung der Frage, was es mit „Heil Hitler! Der Hund ist tot“ auf sich hat. Es darf gelacht werden.

Der Zigarettenmarke „Alva“ wurden 1934 Abbildungen der NS-Führer beigelegt. Seitdem wird „Alva“ übersetzt in „Alles Lumpen von Adolf!“

Welches sind die drei besten Fotographen der Welt?
Antwort: Mussolini, Hitler und Goebbels: Mussolini entwickelt, Hitler kopiert und Goebbels vergrößert. (1935)

Was gibt es für neue Witze?
Antwort: Sechs Monate. (1938)

Das Telefon läutet bei Müllers. Falsche Verbindung.
Eine Stimme sagt: „Entschuldigen Sie, ich habe falsch gewählt.“
Müller antwortet: „Das haben wir alle!“ (1939)

Wer ist der größte Elektriker?
Antwort: Adolf Hitler! Er hat 80 Millionen gleichgeschaltet, Kraft durch Freude erzeugt, Deutschland isoliert, Moskau ausgeschaltet, Italien eingeschaltet und Rom (Röhm) geerdet. (1939)

Hitler, Göring und Goebbels sitzen im Unterstand. Wer wird gerettet, wenn der Unterstand einen Volltreffer erhält?
Antwort: Deutschland (1943)

Das Auto des Führers fährt den Hund eines Fleischers tot. Adolf schickt den Chauffeur in den Fleischerladen, um sich zu entschuldigen und Schadensersatz anzubieten.
Der Chauffeur sagt: „Heil Hitler! Der Hund ist tot...“
Da ruft der Fleischer: „Endlich! Hier, nehmen Sie die großen Würste mit!“ (1943)

Lieber ein Kaiser auf Gottes Gnaden, als ein Mörder von Berchtesgaden. (1943)

Wann gibt es wieder Schlagsahne?
Antwort: Wenn alle Hitler-Bilder entrahmt sind. (1944)

Kennst du den Unterschied zwischen Christentum und Nationalsozialismus?
Sehr einfach! Beim Christentum starb einer für alle - beim Nationalsozialismus sollen alle für einen sterben! (1944)

Witze ohne Jahresangabe:

Zehn kleine Meckerlein
Zehn kleine Meckerlein,
die saßen einst beim Wein.
Der eine ahmte Goebbels nach,
da waren es nur noch neun.

Was ist eine Ironie der Weltgeschichte?
Antwort: Dass der Scharfrichter der Hölle Himmler heißt.

Was ist paradox?
Antwort: Wenn im Dritten Reich der zweite Mann als erster türmt.

Rudolf Heß wird auch Churchill vorgestellt, der ihn fragt: „Also Sie sind der Verrückte!“
„Nein“, erwiderte Heß, „Ich bin nur sein Stellvertreter!“

Viele weitere historische Anti-Nazi-Witze findet man im Taschenbuch „Heil Hitler, das Schwein ist tot! Lachen unter Hitler - Komik und Humor im Dritten Reich“ von Rudolph Herzog.

Einer unserer Projektpartner, das Luxemburgische „Musée national de la Résistance“ in Esch-sur-Alzette produzierte die Wanderausstellung „Spott dem Naziregime – Humor während der Besatzung: Karikaturen, Texte, Witze“.

Eine unserer Lieblingskarikaturen dieser Ausstellung ist ein hinreißendes historisches „Nazischwein“, unser Exponat dieses Monats. Es wurde sehr wahrscheinlich von Mitgliedern der Luxemburger Widerstandsgruppe ALWERAJE gezeichnet, die in Brüssel untergetaucht waren, und anschließend in Luxemburg verteilt.

Unsere zweite Abbildung in diesem Monat entstammt ebenfalls der Ausstellung und hat den Titel: „Cherchez le cinquième – Suche das fünfte“. Selbstredend ist auch hier ein Schwein gemeint.

Ein paar der Ausstellungstafeln gibt es auf der facebook-Seite des Museums zu sehen.
Die Ausstellung kann beim Museum bestellt werden: Telefon: +352 / 54 84 72, Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.



 

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