Wir beteiligen uns mit einer Einführung in die Recherche sowie einem Bericht von unseren Rechercheerfahrungen und den darin präsenten Fallstricken (geplant) am zweiten Wochenende des
Seminar zur kritischen Erinnerungsarbeit der Enkel*innen-Generation deutscher Familien
1. Wochenende: Freitag, 10.11. bis Sonntag, 12.11.2017
2. Wochenende: Samstag, 9.12. bis Sonntag, 10.12.2017
3. Wochenende: Samstag, 3.2. bis Sonntag, 4.2.2018
Veranstaltungsort: Das Seminar findet in der Freien Altenarbeit Göttingen e.V., Am Goldgraben 14, 37073 Göttingen statt. Der Zugang ist barrierefrei.
Kosten: 150,- € für alle drei Blöcke. Leistungen: Material, Getränke und Imbiss.
Anmeldungen bis zum 27.10.2017 an
Für weitere Informationen steht das Göttinger Zeitzeugenprojekt gern zur Verfügung:
Göttinger Zeitzeugenprojekt • Am Goldgraben 14 • 37073 Göttingen • Telefon: 0551/43606
Eine Kooperationsveranstaltung des Göttinger Zeitzeugenprojekts mit der KZ-Gedenkstätte Moringen und unserem Verein, im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Bündnis 27. Januar – Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus“. Pädagogische Verantwortung: VNB – Landeseinrichtung der Erwachsenenbildung.
Den Flyer zum Seminar können Sie hier herunterladen.
Inhalte des Seminars
Was hat eigentlich meine Familie während des Nationalsozialismus getan? Diese Frage stellen sich viele Enkel*- und Urenkel*innen der Zeitzeugen des Nationalsozialismus im Laufe der Jahre. Doch die Informationen, die sie erhalten, sind meist spärlich oder lückenhaft, kaum mehr als Fragmente einer Erzählung. Dieses Seminar soll die Gelegenheit geben, gemeinsam mit anderen, die Erzählungen über den Nationalsozialismus in der eigenen Familie zu untersuchen, auf Widersprüche abzuklopfen, die eigenen Interessen darin sichtbar zu machen und ein kritisches Verhältnis zur eigenen Familienerzählung zu entwickeln.
In einem zweiten Teil wollen wir mit Hilfe einer angeleiteten Archivrecherche Daten und Fakten über die eigenen Großeltern ermitteln und mögliche Lücken in den Erzählungen heraus arbeiten. Dabei orientieren wir uns an der Methode „Erinnerungsarbeit“ von Frigga Haug (entwickelt in der 80er Jahren). Die Seminargruppe soll sich dabei im Sinne einer Forschungsgruppe gegenseitig unterstützen und einen Rahmen für die Auswertung der Untersuchung bieten.
Zum Hintergrund des Seminars im Rahmen der Politischen Bildungsarbeit
Mit dem Sterben der Zeitzeugengeneration bleiben von dieser Epoche in den Familien nicht mehr als ein paar Fotos aus dem Familienalbum und eben jene Erzählfragmente über den Alltag des „Russlandfeldzuges“ oder das beschwerliche Leben in zerbombten Städten. Diese meist mehr oder weniger harmlosen Anekdoten kontrastieren dabei scharf mit dem offiziellen Gedenken an die Opfer des NS und dem historischen Wissen über den Faschismus. In den allermeisten Familien bleibt der Eindruck, der Nationalsozialismus habe stets an einem andern Ort und mit unbekannten Akteuren stattgefunden, man habe nichts tun können und versucht anständig zu bleiben. Dass dies angesichts der Massenbasis des Faschismus nur für einen kleinen Teil der Familienerzählungen zutreffen kann, mag Anlass sein, die eigene Familienerzählung kritisch zu hinterfragen. Im Vordergrund steht dabei das kritische Eingreifen in die eigene familiäre Geschichtsschreibung. Dafür ist zunächst eine Bearbeitung und Reflexion der Familienerzählung grundlegend (1. Seminarwochenende). Das Recherchieren in den Archiven baut im Folgenden darauf auf (2. Seminarwochenende).
Seminarablauf
(3 Blöcke, Mögliche Änderungen vorbehalten.)
1. Seminarwochenende 10.11. – 12.11.2017, Fr. 19 – 21 Uhr, Sa. 10 – 18 Uhr / 20:15 Uhr Film, So. 10 – 16 Uhr
Nach einem Auftakt am Freitagabend, sollen am ersten Wochenende vor allem die Mechanismen von Familienerzählungen beleuchtet werden. Neben theoretischen Inputs steht dabei das Bearbeiten von eigenen Erzählfragmenten im Vordergrund, die häufig aus nicht mehr als einer groben Orts- und Tätigkeitsbeschreibung bestehen; „der Opa war irgendwo in Russland. Ich glaube die mussten viel marschieren, war wohl ein einfacher Soldat, ob der an Verbrechen beteiligt war, weiß ich nicht... ich glaub aber eher nicht.“ Die Methode und Hintergründe der von Prof. Frigga Haug entwickelten und erprobten „Erinnerungsarbeit“ bieten dafür den grundlegenden Arbeitsansatz. Neben dem individuellen Verfassen von Geschichten, erfolgt die weitere kollektive Bearbeitung in der Seminargruppe. Neben den Erzählfragmenten selbst wird auch erörtert wie diese Erzählungen in den Familien weiter gegeben werden (Erzählsituation, Stimmung, welche sagen was, welche sagen nichts...).
2. Seminarwochenende 9.12. – 10.12.2017, Sa. 10 – 18 Uhr / 20:15 Uhr Film, So. 09 – 16 Uhr
Am zweiten Wochenende steht die Recherche im Vordergrund. Nicht wenige Enkel*innen haben Dokumente und Unterlagen zusammen gesammelt, mit Verwandten gesprochen, und sich Aufzeichnungen gemacht. Doch im betriebsamen Alltag stellt die Auswahl des richtigen Archivs, oder auch das Formulieren einer Anfrage jene Hürde dar, die dazu führt, dass sich letztlich nur wenige auf den Weg machen, den Erzählungen auf den Grund zu gehen und sie mit historischen Fakten abzugleichen. Im Seminar wird daher konkret der Frage nachgegangen, aus welchen Archiven welche Informationen zur Großelterngeneration gewonnen werden können, was aus den bereits bekannten Dokumenten geschlossen werden kann und welche Fachleute dabei hilfreich zur Seite stehen können.
3. Seminartage 3.2. – 4.2.2018, Sa. 10 – 19 Uhr, So. 10 – 16 Uhr
An diesem Tag können die Teilnehmenden den bisherigen Verlauf der Recherche und die Auswirkungen eventueller Familiengespräche reflektieren.
Die Seminarleitung
Daniel K. Manwire (Jhg. 1971) Biologe und Sozialpädagoge. Beschäftigt sich seit 2005 mit dem Thema Familienerzählungen zum NS, auch in der eigenen Familie. 2008 die Diplomarbeit zum Thema: Von der Schwierigkeit im Hause des Henkers vom Strick zu sprechen, zum intergenerationellen Sprechen deutscher Familien. Daneben ist er als Teamer von Arbeit und Leben in der außerschulischen Bildungsarbeit tätig, sowie als Sozialpädagoge in der ambulanten Familienhilfe von Basis & Woge e. V..
Rainer Piatkowski (Jhg. 1970) Sozialpädagoge. Der Besuch eines Seminares mit dem Titel „Opa war kein Nazi“ war 2005 Ausgangspunkt für das Interesse an dem Thema Familienerzählungen zum Nationalsozialismus. 2007 Diplomarbeit zum Thema: Verbrechen begegnen – Zum Umgang Sozialer Arbeit mit Erinnerungen an den Nationalsozialismus.