La Montagne, Themenseite, veröffentlicht am 17. Juli 2024
Mit freundlicher Genehmigung des Autors Jean-Baptiste Ledys
Siehe auch:
- Zweitägige Gedenkveranstaltungen in Bourg-Lastic aus Anlass des 80. Jahrestags des Massakers am 15. Juli 1944
- Unser Beitrag zum Kolloquium in Bourg-Lastic am 14. und 15. Juli 2024
Zur Onlineversion der Themenseite (La Montagne, Paywall)
Übersetzungen der Artikel der Themenseite befinden sich unter dem Bild
Weitere Berichte dieser Zeitung im selben thematischen Zusammenhang:
Bourg-Lastic. Deux journées d’étude pour commémorer les crimes de 1944
Bourg-Lastic. Zwei Studientage zum Gedenken an die Verbrechen von 1944
"Les crimes commis ou ordonnés par mon grand-père..." : l'émouvante lettre d'un Allemand aux habitants de Bourg-Lastic
„Die von meinem Großvater begangenen oder befohlenen Verbrechen...“: der bewegende Brief eines Deutschen an die Einwohner von Bourg-Lastic
Übersetzungen:
GESCHICHTE - Roland Laich bezeugt das Vermächtnis seines Nazi-Onkels, der in die Verbrechen von Bourg-Lastic verwickelt war
„Ich würde mich schuldig fühlen, wenn ...“
Bildunterschrift:
GÄSTE. Roland Laich und Katrin Raabe wurden zum Kolloquium in Bourg--Lastic und zu den Gedenkveranstaltungen eingeladen, um über die unauslöschlichen und grausamen Spuren zu sprechen, die ihre Vorfahren in den Familien hinterlassen haben, als diese an Kriegsverbrechen während des Zweiten Weltkriegs beteiligt waren.
Anlässlich des 80. Jahrestags der blutigen Repressalien vom 14. und 15. Juli 1944 in Bourg-Lastic kam der Neffe eines der beteiligten deutschen Soldaten, um (über die Zustände in den Familien der Täter) zu berichten.
Interview
Jean-Baptiste Ledys
Roland Laich beendete am Montagnachmittag seine Rede auf der Tribüne des Kolloquiums in Bourg-Lastic und erhielt einen sehr herzlichen Applaus. Als Neffe eines deutschen Soldaten, der während des Zweiten Weltkriegs in Bourg-Lastic und der Region stationiert war, sprach er über die notwendige Aufarbeitung der Geschichte, die in Deutschland in den Familien selbst beginnt.
Sein (Halb-)Onkel Walter, ein überzeugter Nazi, war an der Unterdrückung des Widerstands im Zentralmassiv und an den Ereignissen in Bourg-Lastic im Juli 1944 beteiligt. Er überlebte den Krieg nicht. Diese Geschichte wurde in der Familie verschwiegen. Bis er Walters Briefe und das ganze Grauen, von dem sie zeugten, entdeckte. Seitdem arbeiten Roland Laich und seine Lebensgefährtin Katrin Raabe daran, dass sich die Deutschen den Grauen ihrer Familiengeschichten stellen.
Ist es das erste Mal, dass Sie in Bourg-Lastic sind?
Roland Laich. „Nein. Wir waren schon einmal hier, aber inkognito. Wir hatten einige Orte besichtigt, aber mit niemandem gesprochen.“
In Bourg-Lastic gab es einige, die nicht wollten, dass Deutsche bei den Gedenkfeiern anwesend sind. Hatten Sie irgendwelche Befürchtungen, als Sie kamen?
Roland. „Als wir 2012 zum ersten Mal für Nachforschungen über Katrins Familiengeschichte nach Luxemburg gefahren sind, hatten wir Angst vor der Reaktion der Leute. Aber alles lief überaus gut. Und es hat sich jedes Mal auf die gleiche Weise wiederholt. Inzwischen haben wir keine Angst mehr. Der offene und herzliche Empfang, der uns bereitet wird, ist eine große Ehre. Wir haben Vertrauen. Wir gehen zu diesen Orten und sagen: ‚Okay, das hier ist, was unsere Vorväter getan haben. Wir haben einige Dokumente. Möchten Sie sich diese ansehen?‘ Und wir haben einen sehr intensiven Austausch, der in einigen Fällen zu sehr schönen Freundschaften führt.“
Katrin Raabe. „Wenn wir zu einem bestimmten Anlass nicht erwünscht sind, akzeptieren wir das natürlich. Es ist völlig verständlich, dass Einige die Anwesenheit von Deutschen nicht wollen. Das, was passiert ist, ist so schrecklich, dass es nichts gibt, was wir tun können, um es wieder gutzumachen. Heute kam ein Mann zu mir. Er erzählte mir, dass sein Vater zu den Opfern der Hinrichtung gehörte. Und dass er sich sehr freue, uns zu sehen. Das hat mich sehr berührt.“
Warum ist es für Sie wichtig zu wissen, was Ihr Onkel vor 80 Jahren getan hat?
Roland. „Ich hatte eine grässliche Kindheit. Das Klima in der Familie war schrecklich. Ich war ein bisschen verloren in der Welt. Je mehr ich über die Familiengeschichte erfuhr, desto besser verstand ich die Situation in meiner Familie und desto mehr Selbstvertrauen gewann ich. Für mich ist das wie eine Therapie. Meine Mutter will nichts davon hören. Das respektiere ich. Aber es gibt viele andere Menschen, mit denen ich mich über dieses Thema austauschen kann. Aber es ist auch wichtig zu verstehen, was an der deutschen Gesellschaft nicht stimmt.“
Als Sie ein Kind waren, was wussten Sie darüber, was Ihr Onkel Walter im Krieg getan hatte?
„Man hatte uns erzählt, dass er Geometer war und dass er als Soldat in Frankreich war. Das war alles.“
Ihr Vater war antiamerikanisch, antibritisch und antisemitisch. Konnten Sie die Gründe verstehen, warum Ihr Vater so hasserfüllt war?
„Für ihn war sein Bruder Walter ein Vorbild, wie ein Gott. Und Walter war ein fanatischer Nazi. Und er wurde erschossen. Mein Vater entwickelte daraus einen großen Hass auf alle, die er für seinen Tod verantwortlich machte. Das hat die ganze Familie geprägt. Mein Vater hatte viele Fotos von seinem Bruder. Er war allgegenwärtig. Aber wir haben niemals darüber gesprochen.“
Wann haben Sie mit Ihren Nachforschungen begonnen?
„Als mein Vater ins Altersheim kam – er lebte dort noch zwei Jahre – haben wir Briefe gefunden. Oben drauf war ein Zettel, den mein Vater geschrieben hatte: „Nicht öffnen“. Also haben wir sie uns natürlich angeschaut.“
Was ist das Ziel von NS-Familien-Geschichte, dem Verein, den Sie gegründet haben?
Roland. „Immer wieder werden wir von den Familien der Opfer kontaktiert. Unser Verein bietet Tipps, wie man die Familiengeschichte recherchieren kann. Aber wir sagen den Leuten: ‚Beschränken Sie sich nicht auf die deutschen Archive. Gehen Sie dorthin (wo ihre Vorfahren ihren Terror ausgeübt haben). Auf diese Weise werden Sie Dinge herausfinden, die Sie sonst nie erfahren würden.‘ Das ist sehr wichtig und heilend für beide Seiten. Sehr heilend.“
Katrin. „Wir haben den Verein im Januar 2015 gegründet. Unser Ziel ist es, Bildungsangebote zu machen und (auch) in Schulen zu gehen. Deshalb sind wir gemeinnützig.“
Fühlen Sie sich schuldig für das, was Ihr Onkel während des Zweiten Weltkriegs getan hat?
Roland. „Nein, überhaupt nicht. Es war seine Gewalt (die meines Halbonkels), nicht meine. Und ich bin ganz anders (als er es war). Aber ich würde mich schuldig fühlen, wenn ich es wie viele andere machen würde und sagte: ‚Nee, das ist lange her, lass uns nicht mehr darüber reden‘.“
Ein Kolloquium um Gräben zu überwinden
Bildunterschrift:
EHRUNG. Die Zeremonie im (Militär-)Lager Lastic war ein Moment förmlicher Rückbesinnung, der durch die Anwesenheit eines Orchesters und eines großen Publikums unterstrichen wurde.
Die Zeit reicht nicht immer aus, um bestimmte Wunden zu heilen. In Bourg-Lastic ist der Bürgermeister Jean-François Bizet davon überzeugt, dass die Ereignisse, die sich vor 80 Jahren in seiner Gemeinde ereigneten, noch immer zu tiefen Gräben zwischen seinen Bürgern führen.
Am 14. und 15. Juli 1944 wurden 23 Bürger der Gemeinde, darunter der (damalige) Bürgermeister, von den Deutschen als Vergeltung für eine Widerstandsaktion erschossen, die einige Tage zuvor in der Schlucht des Chavanon stattgefunden hatte.
Wie jedes Jahr zu dieser Zeit erinnerte eine sehr feierliche Zeremonie im Militärlager von Bourg-Lastic, am Ort der Hinrichtung, an dieses schmerzhafte Ereignis. Diese fand jedoch erst zum Abschluss des Kolloquiums statt, das anlässlich des 80. Jahrestags der dramatischen Ereignisse veranstaltet wurde.
„Es gibt Traumata, die von Generation zu Generation weitergegeben werden, oft durch Schweigen. Der 80° Jahrestag ist eine außergewöhnliche Gelegenheit: Es erlaubt, all das auszusprechen mit dem Ziel, die Komplexität der Dinge sichtbar zu machen.“
Im Laufe dieser zwei Tage hat es die Arbeit der Versammlung zwischen Verpflichtung der Geschichte, staatsbürgerlicher Reflexion, Zeitzeugenberichten und emotionalen Momenten ermöglicht, aus Bourg-Lastic, nach den Worten von Françoise Fernandez, die die Debatten leitete, „den unwahrscheinlichen Ort einer Versöhnung zwischen Frankreich und Deutschland zu machen.“
Das Kolloquium wurde gemeinsam von elf Gemeinden, die von den Ereignissen im Juli 1944 betroffen waren, und einer Gruppe von Historikern um Françoise Fernandez, Laurent Battut und Jean-Emmanuel Dumoulin, Geschichtslehrer am Collège Willy-Mabrut in Bourg-Lastic, organisiert.